Medical Device Regulation (MDR) — Verordnung 2017/745 (EU) über Medizinprodukte
Die deutsche Entsprechung für den Terminus Medical Device Regulation (MDR) ist “Medizinprodukteverordnung”. Die Verordnung 2017/745 der Europäischen Union (EU) erlangt zum 26. Mai 2021 europaweite Verbindlichkeit. In diesem Beitrag finden Sie Informationen zu Inhalten und Ausführungsbestimmungen für die Medizintechnik-Branche.
EU-Verordnung mit Zuschnitt auf die Medizintechnik
Bereits am 5. April 2017 trat die “Verordnung (EU) 2017/745 des Europäischen Parlaments und des Rates über Medizinprodukte” in Kraft. Sie tritt an die Stelle der bislang gültigen “Richtlinie 93/42/EWG über Medizinprodukte”. Konkret bedeutet dies für Sie im Bereich Medizintechnik, dass die EU-Verordnung 2017/745 folgende frühere Richtlinien ablöst:
- Richtlinie 93/42/EWG über Medizinprodukte (MDD);
- Richtlinie 90/385/EWG, aktive, implantierbare Medizinprodukte — Active Imlantable Medical Devices (AIMDD)
Für eine separate Regelung entschieden sich die EU-Gremien bezüglich der Richtlinie 98/79/EG über In-Vitro Diagnostika (IVD). Diese Richtlinie fand keinen Eingang in die Medizinprodukteverordnung. An ihre Stelle tritt die separat gefasste EU-Verordnung “In-Vitro Diagnostic Medical Devices Regulation 2017/746 (IVDR).
Entdecken Sie die passende Software zur Einhaltung der MDR
Ab 26. Mai 2021 europaweit verbindlich
Im Gegensatz zur abgelösten Richtlinie hat die neue Verordnung des EU-Parlaments an internationalem Profil gewonnen. Ihre verbindliche Gültigkeit erstreckt sich ab Stichtag 26. Mai 2021 auf alle EU-Mitgliedstaaten. Es ist hier anzumerken, dass Stand Oktober 2019 noch keine nationalen Rechtsakte der einzelnen Mitgliedsstaaten beschlossen wurden. Dies gilt auch für deutsche Besonderheiten, Anforderungen und zu erlassende Strafbestimmungen. Ein entsprechender Entwurf für ein deutsches Durchführungsgesetz liegt zwar vor. Dennoch rechnet das Bundesgesundheitsministerium mit Übergangsfristen.
Gemäß vorliegendem Gesetzestext gilt bei der Umsetzung eine Übergangsfrist von drei Jahren (26.05.17 — 25.05.21*). Spätestens nach Fristablauf sind Sie als Hersteller verpflichtet ein MDR-Zertifikat vor zu legen. Nur auf diesem Wege ist es Ihnen erlaubt, ein Produkt erstmalig in den Markt einzuführen.
*Im Zuge der COVID-19-Pandemie wurde der Geltungsbeginn der Verordnung auf den 26. Mai 2021 verschoben.
Ziel und Notwendigkeit der neuen EU-Verordnung
Im Kern zielt die neue Verordnung auf eine optimierte, einheitliche Regelung für die Markteinführung von Produkten der Medizintechnik. Im Fokus befinden sich dabei die Faktoren Produktsicherheit und Produktqualität.
Für Sie als Marktteilnehmer und Anwender besteht die neue EU-Verordnung aus einem Mix, bestehend aus bekannten Inhalten der früheren Richtlinie 93/42/EWG und weit reichenden Neuerungen. Zu den wesentlichen, inhaltlichen und verfahrenstechnischen Inhalten für Sie und Ihre Branche zählen die folgenden Inhalte der Brüsseler Verordnung:
Regeln zur Klassifizierung von Medizinprodukten
Neue Begriffe und Regeln führen zur Veränderung bei der Zuordnung bestehender Produkte zu teilweise veränderten Produktklassen. Von diesen Veränderungen betroffen ist beispielsweise der Produktbereich der “Stand-alone” Software.
Verfahren zur Konformitätsbewertung
Dem Regelwerk zur Klassifizierung folgend, variiert nun auch das Konformitätsbewertungsverfahren je nach Klasse.
Technische Dokumentation/Dokumenten Management System
Die technische Dokumentation gemäß Medical Device Regulation erweist sich als deutlich detaillierter. Vorteile von Kontrolle und Dokumentation für die Unternehmen werden bei detaillierter Betrachtung des neu zugrunde liegenden, tabellarisch gegliederten Schemas deutlich. Die Unterteilung in einzelne Kategorien in einer direkten Verknüpfung mit den zugehörigen Detailforderungen bildet die Basis für eine detailreiche technische Dokumentation.
Klinische Bewertungen/klinische Prüfungen
Deutlich gestiegene Anforderungen charakterisieren diesen Aktionspunkt. Dies gilt insbesondere für Hochrisiko-Produktgruppen.
Firmenverantwortung/Sicherheitsbeauftragter
Ein maßgebliche Änderung ergibt sich für Ihr Unternehmen aus der Forderung der EU-Gremien nach einer verantwortlichen Person, die in ihrer Organisation für die Einhaltung der Regulierungsvorschriften verantwortlich ist.
Qualitätsmanagement
Im FDA Medical Device 21 CFR 820 (FDA = U.S. Food and Drug Administration) sind die Anforderungen an Managementsysteme der Hersteller von Medizinprodukten formuliert. In dieser Funktion rangiert das Device 21 CFR 820 als Pendant zur ISO 13485. Die Kernforderung besteht darin, dass Verfahrensanweisungen wie Dokumentenlenkung, Beschaffung, Entwicklung sowie Produktion dokumentiert und analog umgesetzt werden.
Marktüberwachungsmechanismen
Insbesondere die obligatorische Nutzung der EUDAMED Datenbank sorgt für größere Transparenz. Sie steht sowohl der Öffentlichkeit als auch den direkten Mitbewerbern als Informationsmedium zur Verfügung. Durch entsprechende Verknüpfungen wird jedes Medizinprodukt in seiner Charakteristik abgebildet. Auch die Rückverfolgung von Lieferketten ist möglich.
Wege zur Einhaltung der Medizinprodukteverordnung
Im Interesse einer termingerechten Einhaltung der neuen Verordnung sind Sie an verantwortlicher Stelle im Unternehmen gefordert. Ein zeitlich wie inhaltlich schlüssiger Plan für die Umstellung Ihres Unternehmens auf die Medical Device Regulation ist Voraussetzung für Ihren Erfolg. Hohe Priorität sollten Sie dabei den Lebenszyklen Ihres Medizinprodukte-Portfolios einräumen. Die bestehenden MDD Zertifizierungen verlieren gemäß EU-Regelung zum 26. Mai 2024 ihre Gültigkeit. Bitte beachten Sie bei Ihrer Planung, dass auch Ihre bereits nach MDD zertifizierten Produkte den neu zu etablierenden Konformitätsprozess gemäß MDR absolvieren müssen. Ein “Bestandsschutz” ist nicht garantiert.
In der Phase der Umstellung sind Sie in Ihrer Funktion als Hersteller oder Anbieter ganz besonders gefordert. Höchste Priorität bildet die Benennung und Schulung jener Person, die in Ihrem Haus für die Einhaltung der Regulierungsvorschriften verantwortlich zeichnet (MDR Artikel 15). Updates bei internen Qualitätssicherungsverfahren, der Dokumentation und der modifizierten Produkt-Klassifizierung sind zwingend vorzunehmen
Vor diesem Hintergrund empfiehlt sich folgende, standardisierte Vorgehensweise gemäß folgender 4 Punkte:
- Auf das Produkt bezogene Durchführung der Konformitätsbewertung
- Ausfertigung der Konformitätserklärung
- “CE”-Kennzeichnung der Produkte
- Eintragung von Firma und Produkten in die EUDAMED Datenbank.
Fazit und Kritik zur neuen Verordnung
Die EU-Verantwortlichen sind angetreten, mit MDR eine zeitgemäße, einheitliche Lösung für das Qualitätsmanagement und die Marktfreigabe von Medizinprodukten zu schaffen. Ein großes Augenmerk gilt der Qualität und Sicherheit von Produkten. Vielleicht zählen auch Sie sich zu jenem Kreis der kleinen und mittelständisch strukturierten Unternehmen der Medizintechnik, die eine Über-Reglementierung durch das umfangreiche Regelwerk sowie zusätzliche Prüfungsgremien befürchten?
Insbesondere die Bewertung der Konformität durch den zu rekrutierenden “Compliance Manager” dürfte in der Anlaufphase zu einem personellen Problem werden. Im Härtefall könnte ein Mangel an zertifizierten Prüfern die für eine Marktfreigabe benötigte Zertifizierung verzögern. Branchenverbände der Medizintechnik äußern die Befürchtung, ein Engpass bei den Zertifizierungen könnte sich negativ auf die Markteinführung innovativer und marktfähiger Produkte auswirken.